Du musst mit deinen Gefühlen nicht alleine bleiben!

Wie wir alle, so musste auch ich in den letzten Monaten so manches, was als reales Treffen geplant war in die digitale Welt verlegen. Und so fuhr ich nicht, wie sonst, für ein verlängertes Wochenende auf einen schönen Seminarhof, sondern traf mich mit meiner ehemaligen Gestalttherapie-Ausbildungsgruppe via Zoom. Für ein paar Stunden zumindest und nur mit Bild und Ton. Ohne all das was sonst noch einen persönlichen Kontakt ausmacht.
Es war also deutlich reduziert. Und doch fühlte ich eine tiefe Verbundenheit und fragte mich:
Was ist es eigentlich, was mich so gut fühlen lässt, wenn ich mich mit meiner Gestaltgruppe treffe? Wie ist dieses Gefühl der Vertrautheit, der Sicherheit und des Aufgehobenseins entstanden?

Es ist natürlich so, dass ich jede und jeden von ihnen sehr liebe. Wir kennen uns an den verletzlichsten Stellen, haben die intimsten Dinge miteinander geteilt, haben miteinander gestritten, gerungen und gemeinschaftliche Lösungen gefunden. Seit über 10 Jahren nun, treffen wir uns beständig und regelmäßig. Lange über die Ausbildung hinaus, haben wir uns das erhalten, was unsere TrainerInnen uns während der Ausbildung geschenkt haben. Wir leben die „Gestalt“, so wie wir sie gelernt haben miteinander weiter. Sind weiter Zeugen des Lebens der anderen, teilen Schmerz, Angst, Lebenslust und Euphorie. Wir haben eine unvergleichlich innige Verbundenheit miteinander entwickelt. Wie haben wir das gemacht?

Zentrale Themen der Gestalttherapie…

Zentrale Themen der Gestalttherapie sind Beziehung, Kontakt, Abgrenzung. Wer bin ich? Wie bin ich? Was empfinde ich in diesem Augenblick gerade? Kommt das aus mir, oder ist das eine Resonanz auf das, was ich um mich herum von den anderen wahrnehme? Was genau ist es, was mich gerade jetzt so fühlen lässt, wie ich fühle? Woher kommt das? Und was hat das mit meinem Leben heute zu tun?
All diese Fragen und natürlich noch unzählige mehr, haben wir in den vielen Jahren miteinander erspürt, erfahren, gelebt. Haben das, was in uns ist, ausgesprochen. Haben die damit verbundenen Gefühle uns selbst spüren lassen, zum Ausdruck gebracht und den anderen gezeigt. Die Resonanz der anderen darauf gesehen, gehört und gespürt.
Man kann über diese Fragen sprechen. Das ist interessant. Das für mich so spannende in der Gestalttherapie ist es aber, über die Fragen nicht vorrangig zu sprechen, sondern die Fragestellung in meinem Innersten zu erleben und auszudrücken. Wer bin ich in dieser Frage? Was klingt in mir an, wenn ich mich damit auseinandersetze? Welche Körperempfindungen tauchen auf? Welche Bewegungsimpulse? Gedanken? Bilder? Emotionen? Wie erlebe ich als Ganzes, was mich da bewegt? Kommen mir vielleicht die Tränen, weil ich mich plötzlich innerlich so berührt fühle? Finde ich Zugang zu einer inneren Erkenntnis? Zu einem: Ja, das macht Sinn. Jetzt sehe ich mich. Ich kann mich an einer Stelle verstehen und mit mir fühlen. Und ich kann dich sehen und fühlen.

Das Thema Scham

Bei vielen dieser inneren Prozesse taucht auch Scham auf. Besonders dann ist das Gegenüber wichtig. Dann kann ein mutiger Blick in die Augen von ein, zwei Menschen helfen. Was sehe ich da? Belustigung und Anklage? Oder Mitgefühl? Eine eigene Berührtheit? Vielleicht ist es auch wichtig ein paar Worte zu hören: Ja, ich kann dich gut sehen, so wie du da stehst. Oder: In mir tauchen ähnliche Gefühle auf. Auch ich spüre, wie mir Tränen kommen, wenn ich so mit dir fühle.

Das oder ähnliche Worte schaffen Verbundenheit: Ich bin nicht alleine. Da ist ein fühlendes Gegenüber. Es ist in Ordnung, dass ich meine Berührtheit zeige. Ich bin ok. Ich darf sein und habe hier meinen sicheren Platz. Ich bin Teil der Gruppe und willkommen so, wie ich bin.
Und die Gruppe gibt Zeugenschaft: Ja, das ist deine innere Wahrheit in diesem Moment. Das hast du erlebt oder erlitten und es war nicht Recht. An dieser Stelle ist dir Unrecht widerfahren.
Das sind heilende Erfahrungen. Erfahrungen, dessen heilende Kraft ich am eigenen Leib erfahren und dessen heilende Wirkung ich bei anderen sehen dürfte. Erfahrung, die ich nie missen möchte. Und die ich liebend gerne weitergebe.

Wieso uns soziale Kontakte so gut tun…

Dieses differenzierte Spüren zuzulassen, braucht Vertrauen und eine sichere Umgebung. Wenn ich mich dem tiefen inneren Erleben hingebe, brauche ich die Sicherheit damit nicht alleine zu sein und Resonanz und einen Anker im Außen zu finden. Ich brauche ein verlässliches Gegenüber. Und eine Zeugenschaft für meine innere Wahrheit in diesem Moment. Dann kann ich mich selbst innerlich verorten. Mich in mir finden und verstehen. In Kontakt mit mir und in Kontakt mit den anderen fühle ich mich sicher und geborgen.
Für mich ist die oben beschriebene Beziehungsarbeit - Beziehung mit mir und mit meinem Gegenüber - einer der wichtigsten Aspekte der Gestalttherapie. Ich und Du im Hier und Jetzt: Die kürzeste Formel der Gestalttherapie. So einfach und so komplex.
Möchtest auch du deinen inneren Welten noch mehr auf die Spur kommen? Dann mach doch einen Termin für ein Vorgespräch. Ich freue mich auf dich.


anne

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Kommentare: 2
  • #1

    Renate (Mittwoch, 30 Juni 2021 09:03)

    Liebe Anne,
    was für eine wunderbare, berührende und poetische Beschreibung, was Gestalt tun kann. Danke. Renate

  • #2

    Sarah Simone Günther (Freitag, 02 Juli 2021 13:58)

    Vielen Dank für diesen schönen Artikel. Er beschreibt so schön, was das heilsame an der Begegnung sein kann. Und was eine Gruppe im besten Fall leisten kann. Ich bekomme Lust auch wieder "Gruppe" wirklich zu erleben.
    Danke, Sarah

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Anne Schricker | Heilpraktikerin für Psychotherapie / 040 31 81 43 23 / info@anne-schricker.de