Auf unserem langen Spaziergang, gestern, haben mein Mann und ich wieder einmal unser wöchentliches Paargespräch geführt. Es ist zu einer lieb gewonnenen und hoch geschätzten Tradition unserer
Beziehung geworden. Als mir eine gute Freundin davon erzählte war ich gleich sehr interessiert: Das geht also auch zu Zweit, was ich so ähnlich aus meiner Gestaltgruppe als Walking Hot Seat
kenne. Wie spannend. „Klar, warum nicht?“, fragte ich mich.
Und so begannen wir in den Büchern von Michael Lukas Moeller zu lesen, der das Zwiegespräch als Methode für Freunde und Paare entwickelte.
Das Zwiegespräch von Michael Lukas Moeller
Ich weiß nicht, ob wir das Zwiegespräch nun genau so übernommen haben, wie Michael Lukas Moeller es entwarf. Die genaue Form ist, meines Erachtens, auch nicht das Entscheidende. Das Wesentliche ist es, in ein tiefes Gespräch miteinander zu kommen, in dem Raum gegeben wird, sich selbst zu erspüren und zu erforschen und der andere lauschen darf.
Ein möglicher Ablauf für das Paargespräch
Der äußere Rahmen des Zwie- oder Paargespräches sind anderthalb Stunden Zeit. Wir folgen dabei einem festen Muster von jeweils einer viertel Stunde die ein Jedes zur Verfügung hat. Zwei mal
hintereinander: Person A, Person B, Person A, Person B. Dann hat ein Jedes noch einmal 10 Minuten für sich. Die letzten 10 Minuten findet ein gemeinsames Gespräch statt. Danach sollte das
Thema - vor allem, wenn es heikel ist, bis zum nächsten Zwiegespräch ruhen.
Die Zeit die ein Jedes für sich hat, spricht sie/er über sich: Wie geht es mir gerade? Was nehme ich in mir wahr? Körperlich, emotional? Welche Gedanken und Bilder sind in meinem Kopf? Was hat
mich die letzte Woche über beschäftigt? Mit mir? Oder mit dir? Gibt es ein heikles Thema zwischen uns, welches noch unausgesprochen ist? Vielleicht bekomme ich es noch gar nicht zu fassen und
nehme mir nun die Zeit es laut denkend und fühlend zu erforschen. Das Gegenüber hört aufmerksam zu, hält sich aber mit den eigenen Impulsen zurück. Die zweite viertel Stunde ist nun die Partnerin
/ der Partner dran. Der Ablauf ist analog. Es geht um das offene erforschen des eigenen Inneren. Vielleicht habe ich gerade einen Impuls beim Lauschen zurück gehalten. Jetzt kann ich ihn
aussprechen. Vielleicht verändert sich etwas dabei, in dem Moment, wenn ich es ausspreche. Auch das kann ich mitteilen. Vielleicht erkenne ich sogar ein Muster darin, wie ich auf mein Gegenüber
innerlich reagiere. Auch das kann ich aussprechen. Welche Gefühle löst das in mir aus? Wie reagiert mein Körper? Was passiert, wenn ich etwas Heikles anspreche? Was macht die Reaktion meines
Partners / meiner Partnerin mit mir? Was mache ich innerlich mit meiner Empfindung? Deute oder bewerte ich sie?
In diesem Wechsel der Innensicht auf die eigene Gefühlswelt erfahren wir die spannendsten Dinge über uns selber und unsere*n Liebste*n. Und wir sehen, fühlen, empfinden, wie wir zusammenhängen,
aufeinander bezogen sind, Ich und Du und Wir sind. Unterschiedlich und Ähnlich.
Sich selber fühlen in Abgrenzung und Verbundenheit
Ich liebe dieses Abenteuer im Alltag. Welche Aufregung, wenn ich mich traue etwas auszusprechen, mich fühlen zu lassen, anzuerkennen, was ich zurück gehalten hatte. Aus Angst. Und: Ja, es kann auch zu Turbulenzen führen, zum Feststellen von Unterschiedlichkeiten und Grenzen. Es kann auch um ein Ringen gehen. Meiner Erfahrung nach stehen wir uns aber am Ende immer gegenüber als ein: Ich und Du im Hier und Jetzt. In Abgrenzung und Verbundenheit zugleich.
Getragen von einer Gruppe
Das ist auch meine langjährige Erfahrung in meiner Gestaltgruppe. Der Walking Hot Seat ist ein Ritual, welches wir immer zu Beginn und am Ende eines jeden Workshops haben. Aus dem Kreis der
Gruppe steht jemand auf und geht in die Mitte. Die Person fühlt in sich hinein und spricht aus, was gerade innerlich hervortritt: Aufregung, Freude, Traurigkeit, Vertrautheit oder ein Fremdeln.
Was ist gerade wichtig in meinem Leben? Was beschäftigt mich? Womit ringe ich innerlich? Was nehme ich hier und jetzt gerade in meinem Körper wahr? Was sagt das über mich? Was brauche ich jetzt
gerade, um mich hier sicher zu fühlen?
Es entsteht ein gehaltener Raum in dem es möglich ist, mich auch an schwierige Gefühle heranzuwagen. Mit der Unterstützung der Gruppe kann ich mich in die dunkelsten Kellerräume meines Selbst
vortasten und weiß, dass ich das Rettungsseil zur Gruppe in der Hand habe. Falls ich verloren gehe, findet mich schon wieder jemand. Ich bin nicht allein.
Komplizenschaft
Das Paargespräch bietet ähnliche Phänomene: Ich darf mich erforschen und bin dabei im Kontakt aufgehoben. Zugleich ist es ein unglaublicher Gewinn für die Partnerschaft. Denn: Ich darf auch dabei sein, wenn du dich erforscht und in deine Tiefen hinabsteigst. Wir werden zu Komplizen auf dieser Expedition. Welch ein Abenteuer.
Die Paartherapie als Starthilfe
In Paartherapiesitzungen biete ich auch immer wieder Hilfestellungen dazu an, sich selbst auszudrücken, innerlich zu erforschen, der/dem Liebsten zuzuhören, die eigene innere Reaktion
wahrzunehmen, auszusprechen. Es geht also häufig um das Wechselseitige in der Partnerschaft. Was passiert in mir, wenn ich bei dir dies oder jenes wahrnehme? Was ist mein Bedürfnis? Wie kann ich
es zum Ausdruck bringen? Und wer ist für die Erfüllung zuständig? Gerade die letzte Frage ist gelegentlich ein interessanter Punkt. Welche Ideen habe ich dazu? Welche hast du dazu? Wo verstricken
wir uns oder verwechseln uns mit Mama oder Papa?
Das tiefe miteinander Sprechen fördert da so manch ungeschliffene Edelsteine hervor. Die kann ich meinem gegenüber an den Kopf werfen. Wir können sie aber auch gemeinsam betrachten, schleifen und
polieren.
Hast du Lust auf die Abenteuerreise bekommen?
Dann mach doch einen Termin für ein Vorgespräch mit mir aus.
anne
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